Gleich zu Beginn machte er darauf aufmerksam, dass „bei einer Weihnachtskrippe ohne Araber, Afrikaner, Juden und Flüchtlinge nur noch Ochs und Esel übrig“ bleiben würden. Dies war eine passende Pointe zu dem aufwühlenden Gottesdienst von Pfrn. Kerstin Bonk über die Flucht Marias und Josephs nach Ägypten, zur heutigen Situation in Kriegsgebieten und über die lebensgefährliche Flucht aus den Krisenregionen. Ihre mit Zahlen untermauerten, von Zeichnungen der zu Konfirmierenden ausgehenden Überlegungen in der Predigt gipfelten in der Aussage, dass Gleichgültigkeit noch schlimmer sei als Hass. Denn Gleichgültigkeit negiert die Existenz des Anderen. Im Gebet beschwor sie unsere Fähigkeit, im Flüchtling den Menschen wahrzunehmen, nicht blind zu werden für das Antlitz des Fremden, dessen Blick unser eigenes Gesicht wiederspiegelt. Dabei klang Psalm 69, der von der Gemeinde gelesen wurde, überraschenderweise wie ein bewegender Kommentar zur heutigen Situation. Der Gottesdienst wurde musikalisch hervorragend umrahmt durch die Blaukreuzmusik Niederschönthal unter der Leitung von Dieter Schweizer.
Kapitän Schmidt hatte ein großes Wandgemälde mitgebracht, auf dem ein (inzwischen auf der Flucht verstorbener) afrikanischer Flüchtling zu sehen ist, der hinter einem Stacheldraht beim Aufgang oder Untergang der Sonne mit traurigen Augen lächelt. Anhand eines kurzen Dokumentarfilms schilderte der Referent, warum er 2004 zusammen mit zwei Mitarbeitern von der italienischen Polizei wegen „Beihilfe zu illegaler Einreise“ ins Gefängnis verfrachtet wurde, worauf ein kostspieliger fünfjähriger Prozess folgte, der mit einem Freispruch endete. Bekanntlich hat er mit seiner Crew, die eigentlich Medikamente an die westafrikanische Küste transportieren sollte, im Mittelmeer 37 Bootsflüchtlingen das Leben gerettet. Es gehört seit alters her zu den Pflichten eines Hochseekapitäns, Leute in Seenot aufzunehmen und sie in einen sicheren Hafen zu führen. Zu Recht hat es mediales Aufsehen und Empörung erregt, dass seine humane Tat ihm jahrelang als Verbrechen angelastet wurde. Dass fast alle von ihm damals geretteten Flüchtlinge umgehend in ihr ‚Heimatland‘ zurückspediert wurden, wird dabei nur selten erwähnt.
Die schön geschmückten Tische in der Mehrzweckhalle waren voll besetzt. Groß und Klein lauschte gebannt den fesselnden Worten des Kapitäns. Hernach servierten die Mitglieder des Frauenvereins Titterten gemeinsam mit Konfirmandinnen und Konfirmanden Speis und Trank. Alle Anwesenden trugen dazu bei, dass der diesjährige Titterter Suppentag zu einer ganz besonderen Begegnung wurde, die nicht leicht vergessen wird, wer sie miterlebt hat.